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Der AusrufesatzDate: 2015-10-07; view: 412.
Der Ausrufesatz steht formal dem Aussagesatz am nächsten; unterscheidet sich jedoch von ihm durch die stärkere Emotionalität und die Vorliebe für verkürzte Satzformen (Ellipsen, Aposiopesen). In der mündlichen Rede ist die innere Anteilnahme des Sprechers, die den Ausrufesatz in unterschiedlicher Weise trägt (Begeisterung, Freude, Zorn, Trauer, Schrecken, Ironie, Drohung u.ä.), durch Situation, Kontext und Intonation (Betonung) signalisierbar. In geschriebenen Texten ersetzt das Ausrufezeichen (das aber auch bei imperativischen Sätzen erscheint) die Intonation. Auch vollständige Sätze können auf diese Weise als Ausrufe erscheinen (s.o.). Charakteristisch für alle Ausrufe ist jedoch die Kürze der Sätze oder Satzsignale, die bis auf einzelne Ausrufewörter (Interjektionen) reduziert werden können: Ah! Aha! O! Ach! Wehe! Huh! Ei! Au! Pfui! Ha! Hei! Hurra! He! Na! Der Aussagewert solcher Interjektionen ist wiederum vom situativen wie verbalen Kontext abhängig, der eine ähnliche Gestimmtheit wie die auftauchende Interjektion haben sollte. Ein »Ha!« z.B. kann ein Ausruf der Freude, des Spottes, der Begeisterung, der Drohung oder der Angst sein. Neben Interjektionen bieten vorangestellte Feststellungen in Form von Pronomina und Vergleichsformeln häufig Hinweise auf den Ausrufcharakter eines Satzes: Wie herrlich leuchtet mir die Natur! (Goethe, »Mailied«) 0 du, des Himmels Botin! Wie lauscht ich dir! (Hölderlin, »Geh unter ...«} Dies ist der Tag... ! Auch vorangestellte und nachgestellte Appositionen besitzen oft zusammen mit ihrem Bezugswort Ausrufcharakter, insbesondere gilt dies für Anreden von Personen und Gegenständen, Begriffen u.ä., die auch als einzelne Ausrufe erscheinen können: Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium! (Schiller, »An die Freude.) O heilig Herz der Völker, o Vaterland! (Hölderlin) Der Anwendunsbereich des Ausrufesatzes ist recht begrenzt. Das Gespräch und die Ansprache (und ihre literarischen Spiegelungen), der persönliche Brief und der Briefroman sowie die hymnische Lyrik sind die wichtigsten Textformen, in denen Ausrufe vorkommen. In anderen Texten, z.B. denen des öffentlichen Verkehrs, der Wissenschaft und Techniik, fehlen sie fast völlig. Innerhalb der Literaturgeschichte sind der »Sturm und Drang« und der Expressionismus Epochen, die den emotional erfüllten Ausrufesatz und seine Kurzformen besonders bevorzugten. In der Gegenwartssprache tritt diese Form der sprachlichen Expressivität dagegen zurück.
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