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Nachtrag und Spreizstellung


Date: 2015-10-07; view: 380.


 

Älter als die Ausklammerung postverbaler Teile ist der Nachtrag bestimmter Satzglieder, meist von Adverbien oder adverbialen Bestimmungen. Durch diese ungewohnte Wortstellung, die an die mittelhochdeutsche Möglichkeit der Fernstellung des Adjektivs erinnert, vielleicht aber auch auf französischen Einfluß zurückzuführen ist48, wird eine Hervorhebung der nachgesetzten wie der zuerst genannten Aussagen erreicht. In der Lyrik dürften oft auch rhythmisch-metrische Gründe für derlei Abweichungen von der normalen Wortbestimmung bestimmend sein:

Meine Töchter sollen dich warten schön. (Goethe, »Erlkönig«)

Ich seh dein Angesicht erglühn im Rosenscheine noch. (Lenau, »Ghasel«)

Von diesem Augenblick an hatte sich das Glück von dem Chevalier abgewendet ganz und gar. (E. T. A. Hoffmann, »Spielerglück«)

Verwandt mit diesen Nachstellungen einzelner Wörter oder Satzglieder ist die von W. Schneider49 (nach L. Spitzer) sogenannte Spreizstellung, in der zusammengehörige Satzglieder in ungewöhnlicher Weise durch andere Satzglieder getrennt werden. Auch durch diese, der mittelhochdeutschen Fernstellung ähnelnde Wortstellungsform wird die Ausdrucksweise verfremdet und in ihrem Eindruckswert erhöht. Das abgetrennte Glied wird so stärker bewußt gemacht. Die Spreizstellung ist deshalb besonders in der Lyrik, seltener in preziöser Prosa beliebt. Es sind dabei verschiedene Kombinationen möglich, von denen hier nur wenige angeführt sein sollen:

Substantiv und nachgestelltes Beiwort:

Wenn die Seele dir auch über die eigene Zeit sich, die sehnende, schwingt. (Hölderlin, »An die Deutschen«)

Substantiv und attributiver Genitiv:

Aber als nun die Wut nachließ des fressenden Feuers (Goethe, »Achilleis«) Substantiv und präpositionale Ergänzung:

Ihr fester Glaube war es an die ewige Fortdauer ihrer Roma. (Fichte, »Reden an die deutsche Nation«)

Zusammengehörige Substantive:

Mit gelben Birnen hänget

und voll mit wilden Rosen

das Land in den See ...

(Hölderlin, »Hälfte des Lebens«)

Die Freiheit reizte mich und das Vermögen (Schiller, »Wallensteins Tod«)

Auch Autoren der Gegenwart greifen gelegentlich zu diesen Stilmitteln:

Die Toten werden gezählt und die Überlebenden. (H. Piontek, »Vor Augen«)

Wenn die Zähne zugeweht sind und der Holzstapel, wirst du... (W. H. Fritz, »An diesem Tag«)

 


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